Kuratiert von Alexander Flech
Mit: Maria Anwander, Werner T. Bauer Lecture Walk, Burlin Mud / MAHTPA LIVE, Bartosz Dolhun, Sophie Dvořák, Alexander Felch, Karin Ferrari, Peter Fritzenwallner & Wolfgang Obermair, Carola Fuchs Lecture Walk, Lisa Großkopf, Paul Gründorfer, Franz Hautzinger LIVE, Hrvoje Hiršl, Thomas Hörl & Peter Kozek, Christoph Höschele, Kisling LIVE, Adele Knall LIVE, Sebastian Meyer LIVE, MONSTERFRAU / Wicke-Aengenheyster & Martin Moser, Karolina Preuschl LIVE, Werner Reiterer, Patrick Schabus Lecture Walk, Olga Shapovalova, Anna Vasof
Peter Fritzenwallner und Wolfgang Obermair
FLOWERS FOR DAVID CHAIN
Ein Gespräch zwischen Tieren und dem Influencer als Knochenmann
Skulptur (Kunststoffknochen bezeichnet, bemalt, Schaukel, Seile)
180x60x80 cm, 2022
Der Wald und im Allgemeinen die Natur, als das dem Menschlichen mit dessen Technologie, Wirtschaft und Kultur Gegenübergestellte, diente und dient als ein argumentativer Begriff, um die verschiedensten Ideologien zu rechtfertigen:
So wollten die barocken Gartengestalter der unübersichtlichen, bedrohlichen und wirren Natur Räume voller Symmetrie und Übersichtlichkeit gegenüberstellen um die Überlegenheit der Kultur über die Natur zu behaupten. Die humanistischen Philosophen entdeckten wiederum im „Edlen Wilden“ einen ursprünglichen Menschen, der den „noch unverbauten“ moralisch unschuldigen Urzustand des Menschen repräsentieren sollte. Der edle Wilde wurde sozusagen als das gleichzeitig eingeschlossene Ausgesonderte konstruiert, das in seiner Naturverbundenheit die duale Ordnung zwischen Mensch und Natur aufrecht erhalten sollte.
Die englischen Gartenbesitzer des viktorianischen Zeitalters im 18. und 19 Jahrhundert ließen Grotten, Hütten und Höhlen in ihren Gartenanlagen anlegen, in denen bezahlte Einsiedler wohnten. Gästen und Besuchern der Gärten wurden diese naturverbundenen Einsiedler in ihrem Habitat vorgeführt.
Aus medientheoretischer Sicht passiert die Vermittlung von „Natur“ und deren scheinbar originäre Wahrnehmung immer durch und über ein Medium, wie Bilder oder die Sprache. Die sehnsüchtig verfolgte Naturwahrnehmung, die unverstellt und völlig nah dran ist an der „Natur“, ist gerade das „an den Ursprung gesetzte Unmögliche“, das mit größter Sehnsucht verfolgt wird und niemals erreicht werden kann.
So passiert es auch in unserer Gegenwart:
Die politischen „Neu-Rechten“ gründen in spärlich besiedelten Gegenden des ehemaligen Ostdeutschlands romantische, historisch rückwärtsgewandte Kommunen, und die sportlichen Outdoor-Influencer inszenieren sich vor heroischen Naturlandschaften auf Instagram.
Dass diese Influencer dabei meist inmitten dieser Bilder imaginierter Natur mit ihrem uniform trainiert-geformtem Körper selbst posieren, bedeutet aber vielleicht nicht mehr, dass sie mit ihrem Körper Teil eines möglichst authentisch wirkenden Naturbildes sein wollen, sondern eher, dass sie sich dieses Naturbild auf eine narzisstisch-kapitalistische Weise aneignen wollen.
Hier liegt nun vielleicht die wirkliche Gefahr. Es geht nicht mehr so sehr um die Aufrechterhaltung einer dualen Herrschaft des Menschen mit seiner Kultur über die Natur, sondern vielmehr um die kapitalistische Ausbeutung von allem und jeden. Die Körper der Menschen, Bilder und Vorstellungen, Ideen, Tieren und Pflanzen. Ob es nun das Holz eines Baumes ist oder das Naturbild auf dem Profil des Influencers.
Es ist Kapital, symbolisches Kapital, das in Likes und somit auch weiter in monetäres Kapital transformiert werden soll oder eben ein Produktionsmittel, wie das Holz des Baumes oder der erzdurchzogene Boden auf dem er wächst, und für dessen Schürfung er weichen soll.
Indem alles zu einem Mittel der Produktion wird, entsteht eine Leere und Gleichgültigkeit den eigentlichen Dingen, ihrer Qualitäten, Materialien und Oberflächen gegenüber.
Ganz anders die Öko-Aktivisten. Sie glauben zwar an die naiven, an Erzählungen über die Natur, doch sie sehen ihre Körper an die Existenz der Bäume gebunden. Der Abhängigkeit als sauerstoffatmendes Wesen von den Bäumen bewusst, kämpfen sie für die Erhaltung dieses symbiotischen Systems. Selbst wenn sie dafür sterben müssen, wie etwa der Öko-Aktivist Paul Chain, der 1998 im Kampf für die Erhaltung der Wälder von Arbeitern der Pacific Lumber Co. in einem Wald nördlich von San Francisco ermordet wurde.
Auch zahlreiche Influencer ließen ihr Leben unter Felsen und hohen Bäumen vor erhabenen Naturkulissen. Zurück bleibt das Reale jenseits der Bilder: Der skelettierte Körper auf weichem Moos gebettet zwischen Pilzen und überwucherten weißen Kalkfelsen.
Den Tieren ist es egal, ob sie sich in der Natur bewegen oder der Stadt, sie interagieren unmittelbar mit der Pflanze, an der sie riechen, der Frucht, dem Kabel unter der Motorhaube, in das sie beißen.
Ein Rabe hackt das letzte Fleisch von den Knochen des verunglückten Influencers, und könnten die Knochen sprechen, so wäre der Rabe bereit dazu in einen Dialog mit dem Knochenmann zu treten.
Die Arbeit „Flowers for David Chain. Ein Gespräch zwischen Tieren und dem Influencer als Knochenmann" beruht auf einem Skelett, das die Künstler aus der Konkursmasse eines deutschen Kunsttransporteurs erworben haben.
Fritzenwallner und Obermair machen daraus ein Denkmal für den vergeblichen Widerstand im Sinne des grünen Anarchismus. Ein angekettetes Skelett auf einem Brett schwebt in luftiger Höhe. Wurde nach der letzten Aktion der Extinktion Rebellion vergessen, es wieder abzunehmen? Hat man sich im Wald geirrt?
Ort: Roter Berg Ost (Waldweg)
dimensions variable
Wolfgang Obermair Dresdner Strasse 46/10 1200 Vienna / Austria